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Andreas Otte (Hrsg.):
Zeitenspringer – Heribert Illig zum 60. Geburtstag
Verlag Andreas Otte – Oerlinghausen 2007,
171 S., Preis: 19,95 €

Dr. Heribert Illig – versierter Karlsleugner und Herausgeber des renommierten Zeitensprünge-Bulletins – verdient unser Mitgefühl. Lang- und weniger langjährige Weggefährten haben ihm anlässlich seines sechzigsten Geburtstags einen Festband gewidmet. Darin erzählen sie, wie sie zur Chronologiekritik im Allgemeinen und zu Illig im Besonderen gefunden haben. Herausgeber der Festschrift ist Andreas Otte, ein Organisationstalent mit außergewöhnlich guten Informatikkenntnissen und ein Opportunist vor dem Herrn. Er gehört zu einer umtriebigen, im ostwestfälischen Raum beheimateten Zeitenspringer-Gruppe, die sich zwischenzeitlich »Freundeskreis karolingischer Baukunst« nennt.

Es ist zweifellos ein Verdienst von Otte, längst überfälligen frischen Wind in die Öffentlichkeitsarbeit der Chronologiekritik gebracht zu haben. Mit der von ihm betriebenen Website http://www.fantomzeit.de/ hat er Illig eine attraktive Internetplattform zur Verfügung gestellt. Die Website soll den bisherigen Internetauftritt http://www.mantisverlag.de mittelfristig ablösen, was zeigt, dass Illig mit Otte wohl seinen idealen Internetadlatus gefunden hat. Ob Illig allerdings davon begeistert ist, dass Otte auch Herausgeber seiner Festschrift ist, kann bezweifelt werden. Dazu bedarf es – das weiß niemand besser als Illig selbst – mehr als Organisationstalent und guter Informatikkenntnisse.

Otte hat die Festschrift-Beiträge entsprechend seiner Möglichkeiten nicht redigiert, sondern nur Rechtschreibfehler korrigiert. Wohl eher unbeabsichtigt verrät die Festschrift daher mehr über die persönlichen Motive und Befindlichkeiten einiger Chronologiekritiker, als dem Jubilar lieb sein kann. So haben verschiedene Autoren die Gelegenheit genutzt, zu zeigen, auf welch schicksalhafte Weise ihre Lebensgeschichte mit der Chronologiekritik verwoben ist. Andere wiederum meinten, mit der Preisgabe privater Details aus dem Leben des Jubilars dokumentieren zu müssen, dass sie zum innersten Zirkel der Zeitenspringer gehören.

Nicht wenige Beiträge wirken daher auf den Leser befremdlich, weil sie voller kryptisch anmutender Selbststilisierungen aber auch voller unfreiwilliger Komik sind. Vor allem bei Außenstehenden mögen einige Beiträge sogar manches Vorurteil über die emotional verirrte und intellektuell verwirrte Anhängerschaft der Chronologiekritik bestärken. Und so gereicht die Festschrift dem Jubilar nicht nur zur Ehre, sondern auch zur Warnung. Auf eindrucksvolle Weise zeigt sie, was dabei herauskommt, wenn Illig das mit seiner äußerst heterogenen Anhängerschaft besetzte Narrenschiff nicht selber durch Klippen und Untiefen steuert.

Belegen wir die Eindrücke mit einigen Beispielen. Besonders hervorheben werde ich Beiträge aus dem »Freundeskreis karolingischer Baukunst«, einer Gruppe, der ich mich als Ostwestfale besonders verbunden fühle. Beginnen wir mit Anga H.. Sie ist mütterlicherseits mit okkulter Runenmagie vorbelastet und lässt keine Gelegenheit aus, Horoskope in rosaroten Blättchen zu studieren. Anga H. macht keinen Hehl daraus, dass sie dem Sternzeichen Jungfrau zugeneigt ist. Leider merkt sie nicht, dass ihr die astrologische Annäherung an den Jubilar zu einer vereinnahmenden Bedrohung entartet:

»Astrologisch zugeordnet ist Heribert Illig eine Jungfrau. Dazu könnte ich schon aus persönlicher Betroffenheit [jetzt wird es spannend] eine ganze Menge sagen, denn Herbert [ach so ihr Gatterich] ist auch eine und sein Vorgänger war es ebenfalls [der wird sich doch wohl nicht in ein anderes Sternzeichen geflüchtet haben?]. Ich halte mich aber gepflegt zurück [keine Kunst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist]. Mein Sternzeichen ist der Skorpion. Ihm wird bedauerlicherweise viel Übles nachgesagt [vor allem, dass er Kochwaschgänge und Backofenaufenthalte problemlos überlebt...], und angeblich gibt es nur wenige Sternzeichen, die zu ihm passen. In einem sind sich aber sämtliche Astrologen in den Boulevardblättern einig: Die Jungfrau und der Skorpion harmonieren prächtig!«

Schön für die kantig-verkannte ›Skorpionin‹ – allerdings habe ich große Zweifel, dass der ›jungfräuliche‹ Jubilar es auf einen Praxisversuch ankommen lassen möchte, zumal er schon seit Jahren bestens bedient ist. Fahren wir aber mit Marianne K. fort, die wegen ihres Ticks, zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit über den mittelalterlichen Mönch Wibald von Stablo zu dozieren, auch Marianne von Stablo genannt wird. Von Stablo wurde bereits pubertär von der Chronologiekritik infiziert und als Spätfolge eines familiären Initiationsritus erlebt sie Illigs mittelalterliche Enthüllungen als ganz persönliche körperliche Schockwellen.

»Unbemerkt hat sich das Velikovskygift bereits in pubertärer Zeit in mein Weltbild eingeschlichen und meine Wissenschaftsgläubigkeit häretisch zersetzt (…). Die Initiationsszene steht mir plötzlich vor Augen: Väterstreit über ein ›Amibuch‹ im Familienzeltlager (…) an der Ostsee 1959, Weltuntergangsphantasien konkretisiert durch Fluchterlebnisse und brennendem Dresden (...). Heribert Illig mit seinem Mantisverlag und den um ihn versammelten Autoren ist ein Lebenselixier, das beinahe körperlich die kindliche Neugier auf Welterfassung in meinen Buchhändleralltag zurück bringt (…). So hätte es weitergehen können (…). Doch dann der Schock des Jahres 1991, er rollt in Wellen mit jeder VFG-Ausgabe auf mich ganz persönlich zu und gipfelt in Illigs Sonderveröffentlichung »Karl der Fiktive, genannt Karl der Große

Nach soviel magischer Umgarnung (Anga H.) und unverblümter Entzückung (von Stablo) zurück zu Otte. Der belegt mit seinem einleitenden Beitrag »Statistik der Zeitschrift Zeitensprünge«, dass er nicht nur ein Organisationstalent, sondern auch ein Langweiler und Erbsenzähler ist. Wer hier erwartet hat, dass Otte von Illig autorisiert wurde, das bislang streng gehütete Geheimnis der Entwicklung der Auflage des Magazins zu lüften, wird arg enttäuscht. Otte lüftet nicht, sondern dokumentiert lediglich in großformatigen Tabellen die Entwicklung der Zahl der Seiten, Beiträge und Autoren des Bulletins. Doch damit nicht genug, er versteigt sich in folgende sinnentleerte Auswertung:

»Auch die Zahl der Beiträge weist eine wenn auch weniger klare Tendenz nach oben aus. In der Summe sind es über 800 Beiträge unterschiedlicher Autoren. Die durchschnittliche Seitenzahl liegt bei etwas mehr als 12 Seiten pro Beitrag. Der Anteil von Heribert Illigs Beiträgen schwankt dabei absolut zwischen 8 und 16 pro Jahrgang, relativ zwischen 16% und 36% ohne klare Tendenz. In der Summe sind es über 200 also etwa 25% der berücksichtigten Zeitensprünge-Beiträge. Die Anzahl der Autoren orientiert sich grob an der Anzahl der Beiträge pro Jahr (…).«

Kurz: Groteske Zahlenakrobatik, die die Welt nicht braucht. Otte zeigt hier, dass er die Tabellenkalkulation beherrscht, mehr nicht. Erika Vierling, Quasi-Gründungsmitglied und so etwas wie gutbürgerliche Seele der deutschen Chronologiekritik, beherrscht sie vermutlich nicht. Trotzdem bringt sie in ihrem Beitrag die Sache auf den Punkt, in dem sie kurz und knapp bemerkt: Die Begeisterung für die Chronologiekritik zeigt sich darin, dass die Bulletins stets umfangreicher wurden! Bleiben wir bei Otte, den ich einleitend als Opportunisten bezeichnet habe. Dies zeigt sich u. a. darin, dass er als Herausgeber der Festschrift ziemlich überfordert ist, mit den diversen Interessenkonflikten, Anfeindungen und Abspaltungen innerhalb der Chronologiekritiker angemessen umzugehen.

Nehmen wir als Beispiel Ottes Umgang mit Christoph Marx. Marx ist einerseits Velikovsky-Übersetzer und Gründungsmitglied der Gesellschaft zur Rekonstruktion der Menschheits- und Naturgeschichte (GRMNG). Andererseits hat er sich seit seinem Zerwürfnis mit Illig eine Einmann-Weltanschauung mit radikaler Kalenderreform, eigener Physik und Kollektivpsychologie sowie kryptischen Sprachkürzeln zugelegt. Er hat sich in dieser seiner Welt eingeigelt und nahezu unkommunizierbar gemacht. Otte beschreibt im Nachwort seine Schwierigkeiten bei der Erstellung der Festschrift am Beispiel des von Marx eingereichten (wie zu erwarten ziemlich kryptischen) Beitrages:

»Was macht man z. B. mit einem Beitrag wie dem von Christoph Marx? Bringt man ihn überhaupt und wenn ja, wo? Oder lässt man ihn weg? Wenn man ihn bringt, muss der Kontext für den Leser verstehbar sein. Wie stellt man den sinnvoll her? Am Ende habe ich ihn hereingenommen, er spricht für sich selbst.«

Otte lässt den Leser hier an einem wunderbaren Monolog in Form einer klassisch zirkulär-paradoxen Argumentationskette teilhaben. Man könnte sie als zwangsläufiges Produkt eines Konfliktes deuten, der u. a. dadurch genährt wird, dass er erst seit wenigen Jahren und Marx seit über einem viertel Jahrhundert Chronologiekritiker ist. Vor diesem Hintergrund ist Ottes Unvermögen, sich eine eigene Position zu erarbeiten, in diesem Fall sogar entschuldbar. Auf seine Neigung zum Opportunismus angesprochen, beschreibt Otte sich gern als Opfer, der bei Konflikten zwischen allen Stühlen sitzt. Auf die Idee, dass er selber auch Täter ist, kommt er nicht.

Otte kritisiert in einem einleitenden Beitrag über die GRMNG e.V., dass Marx sich nach der Auflösung des Vereins dessen Namen angeeignet hat, ohne dafür autorisiert zu sein. Genau das macht aber er selber, wenn es nur zu seinem Vorteil ist. Otte ist Mitbegründer der in Ostwestfalen beheimateten Gruppe »Freunde der karolingischen Baukunst« (FdkB). Nach einem Konflikt zwischen den Mitgliedern (eine absurde Zickenintrige, bei der Otte sich mal wieder zwischen alle Stühlen platziert hatte…) hat der Urheber des Gruppennamens Otte untersagt, die Bezeichnung weiter zu benutzen. ›Ideenreich‹, wie Otte nun mal ist, hat er den Namen geringfügigst in »Freundeskreis karolingischer Baukunst« geändert und ohne Skrupel weiter verwendet.

Resümee: Man kann Illig nur wünschen, dass seine (ostwestfälischen) Anhänger ihm zu seinem nächsten Jubelfest – statt ihm eine ziemlich teuere Festschrift zu widmen – aus seinen chronologiekritischen Werken vorlesen, um weiteren Schaden von der Chronologiekritik abzuwenden.

G.M., 26.11.2007

   

 
   


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